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Ländliche Genossenschaften sind gut aufgestellt

25.06.2024

Bilanz 2023: Gesamtumsatz bleibt trotz rückläufiger Preise mit rund 11,6 Milliarden Euro stabil. Ertragslage hat sich positiv entwickelt. Genossenschaftliche Unternehmen beschäftigen rund 11.000 Menschen. Genossenschaftsverband Weser-Ems fordert klaren agrarpolitischen Kurs und Bürokratieabbau und warnt vor einem staatlich geplanten Eingriff in die Milchlieferverträge zwischen Molkereien und Lieferanten.

 © MARKUS HIBBELER

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Die Verbandsdirektoren Axel Schwengels (links) und Johannes Freundlieb fordern einen klaren agrarpolitischen Kurs: "Derzeit fehlt der Branche eine klare Linie und die Verunsicherung ist groß."

Oldenburg/Weser-Ems – Der genossenschaftliche Landhandel in Weser-Ems konnte seine Wettbewerbsposition im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 ebenso stärken wie die genossenschaftlichen Viehvermarkter und die Molkereiunternehmen. Der Gesamtumsatz lag mit 11,6 Milliarden Euro trotz teilweise rückläufiger Preise nahezu auf Vorjahresniveau. „Die Ertragslage hat sich dabei sehr positiv entwickelt und mit einer guten Eigenkapitaldecke sind unsere Mitgliedsunternehmen zukunftsfest aufgestellt“, betonte Johannes Freundlieb, Verbandsdirektor des Genossenschaftsverbandes Weser-Ems (GVWE), bei der Vorstellung des aktuellen Jahresberichts 2023. Mit knapp 11.000 direkt Beschäftigten seien die genossenschaftlichen Unternehmen verlässliche und wichtige Arbeitgeber in der Region, die mit innovativen Konzepten und einer hohen Wertschöpfung die Position Niedersachsens als Agrarland Nr. 1 in Deutschland stärkten. Für 2024 erwartet der Verband eine stabile wirtschaftliche Entwicklung.  

Klarer agrarpolitischer Kurs gefordert

Freundlieb und sein Vorstandskollege Axel Schwengels betonten jedoch, dass die Politik verlässliche und marktwirtschaftlich orientierte Lösungen entwickeln müsse. „Derzeit fehlt der Branche eine klare Linie in der Agrarpolitik. Deshalb sind die Unternehmen verunsichert und halten sich bei den Zukunftsinvestitionen zurück“, sagte Schwengels. Angesichts der großen Herausforderungen Digitalisierung, Dekarbonisierung, Energiewende und einem anhaltenden Strukturwandel seien verlässliche Rahmenbedingungen für die Ländlichen Genossenschaften und Gesellschaften sowie ihre landwirtschaftlichen Kunden und Mitglieder überlebenswichtig.

Zudem würden die nationalen und vor allem auch europäischen gesetzlichen Auflagen die Unternehmen überproportional belasten. Dies gelte insbesondere für den Bereich der Nachhaltigkeit. So sei beispielsweise das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz nicht nur ein Wortungetüm, sondern auch ein wahres „Bürokratieungeheuer“. Aber auch die nationalen Auflagen zum Tierwohl würden die internationale Wettbewerbsposition der heimischen Landwirtschaft schwächen. Dieses belaste die mittelständische Wirtschaft überproportional, ohne einen zusätzlichen Nutzen zu stiften. „Unsere genossenschaftlichen Agrarunternehmen nehmen Nachhaltigkeit sehr ernst und haben bereits viel in klimaschonende Technik und Prozesse investiert und werden das auch weiter tun“, sagte Freundlieb. Dafür würden sie aber mit immer neuen und weitergehenden Auflagen bestraft. Er forderte ein politisches Umdenken mit Blick für das Sinnvolle und Machbare, um eine regional verankerte, innovative und leistungsfähige Landwirtschaft zu erhalten. 

Landhandel: Preise wieder in Richtung Normalniveau

Im genossenschaftlichen Landhandel sank der Umsatz preisbedingt im Vergleich zum Vorjahr um 0,2 Milliarden auf 2,9 Milliarden Euro. Die 2022 aufgrund des Russlandkriegs gegen die Ukraine in die Höhe katapultierten Preise für Dünger, Getreide und Betriebsmittel hätten sich 2023 wieder in Richtung Normalniveau bewegt. Die Ertragskraft habe mit einem Jahresergebnis von 25,5 Millionen Euro (Vorjahr 24,3 Millionen Euro) gestärkt werden können. Dies sei auf sinkende Kosten, effiziente und innovative Strukturen und Prozesse zurückzuführen, so Schwengels. Die Herstellung und der Vertrieb von Futtermitteln bleibe mit mehr als 50 Prozent Umsatzanteil das Kerngeschäft gefolgt vom Vertrieb von Brenn-, Treib- und Schmierstoffen sowie dem Verkauf von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und dem Einzelhandels- und Baustofffachhandelsgeschäft in den Raiffeisenmärkten. Die von den genossenschaftlichen Unternehmen 2023 vermarktete Getreide- und Maisernte lag dabei mengenmäßig leicht unter dem Niveau des Vorjahres von 620.000 Tonnen. Dies sei dem insgesamt witterungsbedingten Ernterückgang geschuldet. Dieser betrug in Niedersachsen 2023 nach Angaben des Landesamts für Statistik rund zehn Prozent. Damit ist die Erntemenge auf rund 5,2 Millionen Tonnen gesunken.

Sinkende Tierzahlen erwartet

Die genossenschaftlichen Unternehmen würden sich mittelfristig auf weiter sinkende Tierzahlen und damit einen rückläufigen Futtermittelabsatz einstellen. Die Verbandsdirektoren betonten, dass Kooperations- und Konzentrationsprozesse in der Branche somit weiterhin unumgänglich seien. Die Ländlichen Genossenschaften seien aber weit mehr als reine Futtermittellieferanten, sondern böten neben umfangreichen Logistikdienstleistungen vor allem innovative Systemlösungen für die landwirtschaftlichen Betriebe, die auf intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit basierten.

Schweinehalter konnten durchatmen

Durchatmen konnten im abgelaufenen Geschäftsjahr vor allem die 19 genossenschaftlichen Viehverwerter. Zwar habe die Zahl der vermarkteten Rinder und Schweine in Weser-Ems leicht unter dem Vorjahresniveau von 8,7 Millionen Tieren gelegen. Jedoch verbuchten insbesondere die Schweinezüchter und -mäster erstmals wieder steigende Preise. Die Verbandsdirektoren sprachen von einem „auskömmlichen Niveau“: „Das war nach einigen sehr schwierigen Jahren aber auch dringend notwendig.“

So konnte im Bereich Schlachtvieh mit etwas mehr als einer Milliarde Euro sowie im Bereich Nutz- und Zuchtvieh mit rund 518 Millionen Euro ein Umsatzplus von rund 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verbucht werden. Das zusammengefasste Jahresergebnis der 19 genossenschaftlichen Viehvermarkter stieg nach Verbandsangaben deutlich von 2,6 Millionen auf 4,4 Millionen Euro an. „Davon profitierten natürlich auch die Genossenschaftsmitglieder durch erhöhte Warenrückvergütungen“, erklärte Schwengels. Zudem konnte das Eigenkapital der Unternehmen stabilisiert werden.

Obst und Gemüse mit gemischter Bilanz

Die bundesweit tätigen beiden großen Genossenschaften im Verbandsgebiet in den Bereichen Obst- und Gemüseanbau konnten ihre Marktposition behaupten, blicken aber auf eine gemischte Bilanz und angesichts steigender Kosten sowie herausfordernder Witterungsbedingungen auf ein schwieriges Jahr zurück. Kräftige Absatzzuwächse im hohen einstelligen und unteren zweistelligen prozentualen Bereich habe es bei Erdbeeren, Salat, Pilzen, Broccoli und Blumenkohl, Tomaten und Kräutern gegeben. Vor allem aber der Verkauf von Gurken sei mit knapp 19 Prozent stark rückläufig gewesen. Insgesamt sei die verkaufte Menge an Obst und Gemüse in Weser-Ems von rund 185.000 Tonnen auf gut 192.000 Tonnen gestiegen. Damit habe sich der Umsatz mengen- und preisbedingt um 20 Millionen auf rund 389 Millionen Euro erhöht. „Die Unternehmen konnten sich in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld, das auch durch einen weiter hohen Preisdruck aus dem Einzelhandel geprägt ist, gut behaupten“, betonte Freundlieb.

Molkereien mit stabilem Absatz

Die Milchwirtschaft war nach den Rekordauszahlungspreisen 2022 im abgelaufenen Geschäftsjahr von sinkenden Konditionen geprägt. Das Milchgeld hätten die Genossenschaftsmolkereien in Weser-Ems im Jahresverlauf aber über der auch psychologisch wichtigen Marke von 40 Cent stabilisieren können. „Dennoch ist das angesichts der gestiegenen Kosten für die Milchviehbetriebe eine ökonomische Herausforderung“, so der Verbandsdirektor Freundlieb. Die verarbeitete Milchmenge sei um 0,2 Milliarden Kilogramm im Vergleich zum Vorjahr auf etwas mehr als 8 Milliarden Kilogramm gestiegen. Die genossenschaftlichen Milchverarbeiter hätten die höheren Mengen problemlos an den nationalen und internationalen Märkten platzieren können. Der Preisdruck des Handels vor allem im Inland sei aber teilweise hoch gewesen.

Der Umsatz der Molkereigenossenschaften habe sich mit insgesamt 7,1 Milliarden Euro stabil entwickelt. Trotz der aufgrund des Strukturwandels in der Milchwirtschaft notwendigen Produktionsanpassungen und hohe Investitionen, konnten die genossenschaftlichen Molkereiunternehmen 2023 zusammen ein gutes bis zufriedenstellendes Jahresergebnis in Höhe von insgesamt 21,2 Millionen Euro erzielen.

Kritik übte Freundlieb an der geplanten gesetzlichen Vorgabe für die Milchlieferverträge. Danach sollen Menge, Preis und Laufzeit künftig verbindlich für mehrere Monate im Voraus festgelegt werden. Dies sieht das EU-Recht in Artikel 148 der Gemeinsamen Marktverordnung (GMO) vor, den das Bundeslandwirtschaftsministerium künftig auch für die Milchwirtschaft in Deutschland anwenden will. „Dies würde die Position der Milchviehbetriebe nachhaltig schwächen“, warnte Freundlieb. Aufgrund der schwankenden Märkte würden die Molkereien Risikoabschläge einkalkulieren müssen. Die Folge wären sinkende Milchauszahlungspreise. Die genossenschaftlichen Vertragsbeziehungen gewährten dagegen allen Beteiligten eine hohe Sicherheit und eine bestmögliche Vermarktung. Zudem würden die Lieferanten als Genossenschaftsmitglieder die Verträge bislang im Rahmen der Selbstverwaltung gestalten können. Die Anwendung des Artikels 148 der GMO würde diese Freiheit einschränken.  

Stabile Entwicklung für 2024 erwartet

Für 2024 erwarten die Verbandsdirektoren eine über alle Sektoren der Ländlichen Genossenschaften stabile Entwicklung. „Unsere Mitgliedsunternehmen sind trotz der konjunkturell angespannten Lage und der vielen weiteren Herausforderungen zuversichtlich, sich weiterhin gut behaupten zu können“, betonte Freundlieb. Die Agrarbranche sei innovativ und leistungsfähig aufgestellt und ein wichtiger Faktor für Wohlstand und Beschäftigung in der Region.