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„Zinswende nicht weiter verschieben“

10.03.2022

Genossenschaftsbanken gut aufgestellt für kommende Herausforderungen / Lange Phase mit Negativzinsen muss beendet werden / Kredite für Wohnimmobilien werden teurer / Russischer Angriffskrieg gegen Ukraine bremst Konjunkturdynamik / Nachhaltigkeit bei Finanzgeschäften: Praxistauglichkeit entscheidend

 © MARKUS HIBBELER

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Das Bild zeigt die Verbandsdirektoren Johannes Freundlieb (links) und Axel Schwengels. Quelle: Markus Hibbeler.

Rastede/Oldenburg. Der Genossenschaftsverband Weser-Ems (GVWE) spricht von einer gut aufgestellten, leistungsstarken mittelständischen Wirtschaft in Weser-Ems. Dies gelte auch für die 52 Volksbanken und Raiffeisenbanken mit ihren rund 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.Verbandsdirektor Axel Schwengels geht angesichts gedämpfter, aber positiver Konjunkturaussichten in Deutschland von einer soliden Entwicklung auch im Verbandsgebiet aus. Die Unsicherheit bei allen Prognosen sei jedoch hoch und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine führe zu tiefgreifenden Einschnitten. „Sanktionen im Zahlungsverkehr mit Russland, gestörte Lieferketten, explodierende Rohstoff- und Energiepreise, wegbrechende Märkte und einiges mehr: Dieser kriegerische Akt wird sich natürlich negativ auf die konjunkturelle Dynamik in Deutschland und in Weser-Ems auswirken. Das Ausmaß lässt sich aktuell aber schwer abschätzen“, sagte Schwengels heute auf einer Pressekonferenz im Akademiehotel in Rastede.

Hypotheken: Bundesbank fordert mehr Risikovorsorge – Kredite werden teurer

Unabhängig vom aktuellen Kriegsgeschehen würden die Hypothekenzinsen im Jahresverlauf anziehen, erklärte Schwengels. Die Bundesbank verlange ab April einen zusätzlichen Kapitalpuffer von 2 Prozentpunkten von den Kreditinstituten bei der Finanzierung von Wohnimmobilien. Dadurch solle das Risiko einer „Immobilienblase“ verringert werden, erhöhe aber die Kosten. Dies gelte auch für einen weiteren Posten der Risikovorsorge, der von 0,25 auf „stattliche“ 0,75 Prozentpunkte angehoben worden sei. Dieser sogenannte antizyklische Puffer greife in Zeiten eines starken Kreditwachstums, damit die Banken bei möglichen Ausfällen mehr Verluste verkraften können. „Unsere Volks- und Raiffeisenbanken in Weser-Ems werden diese zusätzliche Kapitalanforderungen sicher erfüllen“, so der Verbandsdirektor. Dies schlage sich aber in den Konditionen nieder.      

Zinswende: Signal von EZB erwartet

Gleichzeitig hält Schwengels die Anhebung des Leitzinses seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) für dringend geboten: „Trotz des Ukrainekriegs darf die EZB die Zinswende nicht in die Zukunft verschieben.“ Eine weiter anhaltende Phase mit Negativzinsen hätte dramatische Auswirkungen auf die private Vorsorge und gefährde das Geschäftsmodell der Banken in Deutschland. Ein allmähliches Auslaufen der EZB-Anleihekäufe als Vorbereitung für eine Leitzinssenkung wäre aus Sicht des Verbandsdirektors ein gutes Signal, dass von der heutigen Sitzung der Währungshüter ausgehen sollte. Dies sei auch angesichts der hohen Inflation wichtig, die die Kaufkraft und den Vermögensaufbau einschränke, sagte Schwengels. Bereits vor Ausbruch des Ukrainekriegs sei ein Preisanstieg für 2022 in Deutschland von mehr als 4 Prozent prognostiziert worden.

Nachhaltigkeit darf nicht zur Kreditbremse werden

Neben den klassischen wirtschaftlichen Faktoren werde künftig das Thema Nachhaltigkeit die Kreditvergabe und Geldanlage beeinflussen. „Wir begrüßen das ausdrücklich. Nachhaltigkeit gehört zur DNA von genossenschaftlichen Unternehmen und Banken, die regional agieren und solidarisch handeln“, sagte Schwengels. Die Europäische Union plant, ein einheitliches Klassifizierungssystem (Taxonomie) zu etablieren. Dieses soll wirtschaftliches Handeln in Bezug auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit bewerten. Die vorhandenen und die zu erwartenden Regulierungen sieht der Verbandsdirektor aber kritisch: „Die Komplexität dieser Regelungen ist atemberaubend und nicht praxistauglich.“ Er befürchtet zudem eine Stigmatisierung bestimmter Wirtschaftszweige. Dies könne unter anderem die Land- und Ernährungswirtschaft bei der Kreditvergabe stark beeinträchtigen, die in Weser-Ems eine tragende wirtschaftliche Säule sei. „Sicherlich muss Nachhaltigkeit als wichtiger Aspekt bei der Kreditvergabe von unseren Volks- und Raiffeisenbanken berücksichtigt werden. Sie darf aber nicht zu einem Ausschlusskriterium und einer Kreditbremse werden“, forderte Schwengels. Die durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg gestiegene Bedeutung der Versorgungssicherheit, dürfe nicht durch eine „Überregulierung“ im Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft gefährdet werden.